Meine Empfehlung der Lektüre von American Psycho an die Autorin. Ein Extremcharaker, der voll in seiner Rolle aufgeht, das System ad absurdum führt, muMeine Empfehlung der Lektüre von American Psycho an die Autorin. Ein Extremcharaker, der voll in seiner Rolle aufgeht, das System ad absurdum führt, muss genauso grotesk und überzeichnet inszeniert werden, um einen Effekt zu erzielen. Eine Figur wie Hunter White zu zeichnen, die das Feindbild, eines jeden Menschen schlechthin repräsentiert, der sich für moralisch integer hält und an dem er sich Popcorn schmatzend, im Lesesessel, abarbeiten und seinem Fall berauschen kann, geht für mich in dieser relativierenden Form mächtig nach hinten los.
Survival of the fittest! Was ist Schwäche, was ist Stärke? Die Extreme der Systeme die hierfür in den Ring treten, haben nichts mit der Lebenswelt der meisten Menschen zu tun. Sie werden auch nicht literarisch in die Lebenswelt von Anna Carina geholt, sondern dienen nur als maximal distanzierte Form der pornösen Empörung.
Hunter White, der natürlich so heißen muss, um seinem Klischee als toxisches, weißes Männchen der Macht, des Erfolgs, des Kapitalismus und Individualismus fröhnend gerecht zu werden. Das ewige evolutionäre Missverständnis Stärke als „wer hat die dicksten Eier“ (physische Kraft, Macht, Dominanz) anzusehen, wird mit Extrem des zweiten Systems konfrontiert. Afrikanische Naturvölker mit ihren Mythen und Göttern, das Individuum dem Kollektiv untergeordnet, auf Kooperation und Sozialverhalten ausgelegt, die im enger Wechselwirkung mit der Natur leben und sich ihr angepasst haben. Als Systemübergreifende Verbindung dient der Organisator der Großwildjagden, der auf die Verflechtungen und Wechselwirkungen von Kapitalismus, dem Geld der Weißen und dem systemischen Überleben der Afrikaner aufmerksam macht.
„Deine westliche Moral ist ein Luxusprodukt, das man sich leisten können muss. Der Rest der Welt muss mit Pragmatismus auskommen. Ich helfe diesen Jungs auf die einzig mögliche Art.“
Dumm nur, dass er irgendwie kein Bindeglied darstellt, sondern auch als kapitalistisches Feindbild seine eigenen Spielchen spielt.
Das Buch ist also völlig deterministisch angelegt wo die Reise hin geht. Ein Kommunikationsversuch wird nicht unternommen. Hunter dient lediglich als Werbefläche. Feuer frei seiner Monologe oder Aussprüche:
„Denn nur er, Hunter, und niemand anderes, steht ganz oben in der Nahrungskette.“
„Ein guter Jäger kennt seine Beute. Weiß, wie sie denkt. Und deshalb ist er ihr immer einen Schritt voraus. Der Rest ist eine Frage des Wagemuts. Sich trauen, abzuwarten. Bis zur letzten Sekunde.Und dann ohne zu zögern zuzuschlagen“
„Sein tiefstes Verlangen, den Trieb, der ihn beherrscht,teilt er mit niemandem; der ist tief in seinem Fleisch verankert, so tief, dass ein anderer Mensch niemals dorthin finden kann. Letztendlich, denkt Hunter, irgendwo zwischen Wachen und Schlafen, sind wir immer allein, das ganze Leben lang, und niemand erkennt,wer wir wirklich sind oder warum wir tun, was wir tun— wir selbst wahrscheinlich noch am allerwenigsten.“
„Denn darin liegt der Unterschied zwischen Gut und Böse: wem der Finger gehört, der den Abzug drückt.“
„Auch diese Jagd hat etwas Animalisches, was ihr eine brutale Aufrichtigkeit verleiht, jenseits von Gut und Böse— grausam oder nicht. Näher kann ein Mensch seinem Kern nicht kommen. Mehr Jäger kann ein Jäger nicht sein. Das Fehlen jeglicher technischer Hilfsmittel legt das Kräftemessen zwischen Jäger und Beute in aller Schönheit offen.Die Handlung atmet die gleiche Art Sinnlichkeit, die manche Menschen in Stierkämpfen sehen, ist aber weniger pervertiert— dem geregelten Totfoltern von Tieren konnte Hunter noch nie etwas abgewinnen. Diese Jagd hingegen ist so unschuldig, so rein und physisch, dass Hunter seinen Blick nicht abwenden kann“
Die Autorin lässt ihn in der ersten Hälfte in einem gedanklichen Feuerwerk solcher Phrasen zergehen und fügt reflexive, ethische Betrachtungen ein. Und hier baut sich keine groteske Absurdität auf. Er ist viel zu zahm, relativierend, inkoheränt gezeichnet, als dass er wie ein Bateman aus American Psycho agieren könnte. Sie nutzt die Seiten der Extreme nicht, weshalb sie lediglich als entrückte Statementfläche dienen.
Die ethischen Fragen die sich auftun und philosophischen Ergüsse laufen ins Leere. Sie werden nicht am Plot verankert. All zu viel Plot gib es auch nicht, der mir mit zu viel Wiederholungscharakter der Gedankenspirale Hunters aufgeladen wird.
Zudem empfinde ich die Sprache an etlichen Stellen unelegant. Sie kombiniert pathetische Naturbeschreibungen mit flapsiger Alltagssprache. Durch reißerische Adjektive, auf Gefahr und Dramatik getrimmt, wird eine künstliche, schematische Stimmung erzeugt.
Die zweite Hälfte des Buches ist plotlastiger und liest sich geschmeidiger, runder. Sie rettet das Buch vor der 1 Stern Watsche. Die Jagdszenen und Naturbeschreibungen gelingen und wirken imposant.
Die einzige Öffnung, die ich dem Buch abringen kann, ist der Aspekt der Anpassungsfahigkeit, des sich ständigen Wandels und darin eine Form der Ethik zu finden, die diese Dynamik mitgeht....more
Konsequent, ironisch, symbolbeladen, konservativ leichtfüßig, steuert Mosebach durch den Sumpf der Opferrituale des Status- und Machtstrebens. Auf dem Konsequent, ironisch, symbolbeladen, konservativ leichtfüßig, steuert Mosebach durch den Sumpf der Opferrituale des Status- und Machtstrebens. Auf dem Weg sich die Realität zu unterwerfen, thront Ralf Krass als Alpha und Weltenverschlinger ganz oben im gesellschaftlichen Gefüge. Wo sind die wichtigen Leute? Wo gehts die Leiter hinauf? Fresse halten, Modediktate befolgen, Unterordnung zu jedem Preis. Endlich einer der enge Grenzen zieht, ein Zukunftsweisender, der Erleichterung schafft, nicht zu viel persönliche Freiheit nutzen zu müssen. Bei Krass verstehen sich die Dinge von selbst. Mosebach spielt mit Abhängigkeiten. Lässt das ganze Personal zu einer Verlierertruppe verkommen. Untote Zombies, an denen der goldene Sand der Zeit vorbeifließt. Passiv, unbestimmt, ohne Positionierung zerfließen sie im Geschehen. Das Buch beschreibt das Nichts. Eine der bemerkenswertesten Szenen erlebt Jüngel, der Lakai von Krass, auf einer Lichtung stehend, voller rosa Blütenblätter. Die Schönheit der Natur. Aber nein, er steht in einer Blutlache. Blütenblätter waren im antiken Griechenland mit dem Blut von Helden verbunden. Welch emotionale Ambivalenz. Die Brutalität der Welt in vollkommener Schönheit zu erblicken. Heroisch ist heute niemand mehr. Die Suppe wird nicht ausgelöffelt. In dieser Demontage platziert Mosebach Lidewine. Den Antagonisten. Dynamisch, fließend, unangepasst, nur im Moment lebend, unbefangen. Sie findet überall den Ausgang. Diese Figur bildet keine harmonische Einheit und treibt insbesondere Jüngel vor sich her. Auch Krass ist durch dieses Störelement irritiert. An was glaub sie? Lässt Mosebach sie in seiner konservativ katholischen Weltanschauung, „ohne Gott ist der Mensch nichts“, Gelingen und Glück finden? Was ist denn eigentlich mit Gott? Der kommt bis jetzt nur in Persona Ralf Krass’s vor. Im letzten Drittel wird er in Kairo ausgepackt. Hier kommt der Anwalt und Moslem Mohamed ins Spiel. „Restaurieren heißt zerstören“ – die Memnonstatue war danach stumm. Das mystische ist tot. Mosebach betreibt beinharte Kritik an der Institution Kirche. Glaube wird im Buch durch Regeln und Ordnungen bestimmt. Wo ist die spirituelle Erfahrung? Wo die traditionellen Wurzeln? Wo die tiefe Verbundenheit? Erst mal die dicke Staubschicht abkratzen. Vielleicht findet sich was. ...more
Ein Stück Kunst - und wieder einem afrikanischen Land ein Stück näher gekommen. Kongo - die Minen - Korruption - Gewalt - Machtgefüge - Sex, Titten, SeEin Stück Kunst - und wieder einem afrikanischen Land ein Stück näher gekommen. Kongo - die Minen - Korruption - Gewalt - Machtgefüge - Sex, Titten, Sex, Seeeeeexxxxx - Armut - Auswege?
"Die Tragödie ist schon geschrieben. Wir sind nur das Vorwort."
Da lauert ordentlich Gesellschaftskritik unter der Haube. Hab das Buch als Hörbuch gehört und glaube, dass das in diesem Fall nicht die best3,5 Sterne
Da lauert ordentlich Gesellschaftskritik unter der Haube. Hab das Buch als Hörbuch gehört und glaube, dass das in diesem Fall nicht die beste Wahl war. Der Schreibstil: Kurze, kantige Sätze. Alles wirkt durch den Stil abgeklärt, kühl, nüchtern. Ein bereits in London verweichlichter, naiver Erzähler, befindet sich in seiner alten Heimat. Es legt vieles nahe, dass wir uns hier in Nigeria befinden, obwohl ein fiktiver Staat genannt wird. Ganz spannend ist die Dimension von Klasse und Bildung, die der Autor aufmacht. Auf der einen Seite erleben wir ein Land voller Gewalt, Rebellengruppen, Warlords, Schmutz, Dreck, Hitze und Sexismus gegen Frauen. Ob freiwillig oder erzwungen, in dem Buch nimmt Sexualität eine zentrale Rolle ein. Als Gegenpol setzt der Autor Aktzente mit Studierten Einheimischen, die über Literatur und Philosophie reden und stellt eine wohlhabende, gebildete Person in den Fokus. Diese krassen Gegensätze des Landes sind wirkmächtig in dem Buch. Allerdings habe ich den Plot konfus gefunden. Ich hatte totale Probleme der Logik des Buches zu folgen. Kann nicht ausschließen, dass das dem Hörbuch geschuldet ist. Der Schreibstil hat auch nicht gerade dazu beigetragen, dass sich das Buch angenehm liest/hört. Die Dialoge sind für meinen Geschmack nicht sonderlich gelungen.
Kurzum, ich bin etwas durch das Buch gestolpert und hab mir viele blaue Flecken geholt. Was bleibt, ist ein besseres Gespür für die Menschen einer Region in Afrika. Das ist mir bereits beim letzten Buch aus Afrika aufgefallen, es geht mir gar nicht so sehr um den Plot, sondern darum zu fühlen, wahrzunehmen. Wenn ich mit einem Wort die bisherige Literatur, die ich aus Afrika las, beschreiben müsste wäre es: Schmerz....more
Man wundert sich vielleicht über die gute Bewertung, wenn man noch meinen ersten Leseeindruck im Kopf hat. So ist das, Rotwein auch erst mal atmen lasMan wundert sich vielleicht über die gute Bewertung, wenn man noch meinen ersten Leseeindruck im Kopf hat. So ist das, Rotwein auch erst mal atmen lassen oder durch den Mixer jagen (übrigens mache ich das auch mit meinem Kaffee - Luft reinarbeiten).... Das ist mit den Barbaren jetzt auch passiert. Gedankenmixer angeschoben und festgestellt, da gibts deutlich mehr als zunächst die zweite Hälfte für mich hergab.
Coetzee spielt am Beispiel des Magistraten ein moralisch, ethisches Dilemma durch, das voller Verwirrungen, Unsicherheiten und Ambivalenzen ausgestattet ist. • Eine Hiobsgeschichte, in der der Mensch vor sich selbst tritt – geprüft, zur Selbstreflexion gezwungen und mit Erkenntnissen daraus hervorgeht - dennoch ohne Gott und Segnung ins Ungewisse blickt • Machtinstrumente / Feindbildschaffung – Foucault, Machiavelli • Entfremdung: Ein Gregor Samsa Moment – der Magistrat ein Mensch voller Selbstzweifel- Der Penis des Magistrats und seine Sexualität als Symbol für das Unterwusstsein. Fremd im eigenen Körper. Die eigene Lust nicht zulassen können und dies über die Lust des Anderen kompensieren- Insbesondere die sexuelle Beziehung zu dem Barbarenmädchen interpretiere ich als Ausdruck der Machtlosigkeit und Unsicherheit des Magistraten – jemand der sich selbst nicht annehmen kann und nicht in der Lage ist einen anderen Menschen wirklich zu sehen. Der in seinem Weltbild festhängt, nicht hinter den Vorhang blickt, die Unfähigkeit die Barbaren zu verstehen und damit auch für gescheiterte Entwicklungspolitik stehen kann. • Aufarbeitung und Umgang von und mit Vergangenheit/Historie : Der Magistrat, der aus Zeitvertreib die Klassiker liest: Flucht in die Vergangenheit ohne den Willen von Aufarbeitung und tieferem Verständnis - Passivität. Der Magistrat, der seine Ruhe haben will, sein friedliches Leben – die Lüge, in ruhigen Zeiten- das Feststecken in Historie, von der eigenen Geschichte erdrückt und die Suche der Erlösung von ihr. Hier bin ich ganz stark an Sama Maanis Buch Respektverweigerung - Warum wir fremde Kulturen nicht respektieren sollten. Und die eigene auch nicht. erinnert worden.
Kapitel 1-3 haben mir am besten gefallen, da ich aktuell sehr auf Symbolik, kryptisches Erzählen und Interpretationsschlachten stehe. Die Natursymbolik aus Kapitel 3 ist phänomenal gut. Ab Kapitel 4 kommt er mehr ins Erzählen und ja, da bleib ich auch bei, interpretiert er sein Werk selbst. Das trifft nach wie vor nicht meinen Geschmack, verstehe aber, dass dies durchaus Sinn ergibt, da wir mit dem Magistraten einen Entwicklungsprozess der Selbsterkenntnis durchmachen, in dem die oben angeführten Punkte bearbeitet werden. Redundant wirkt es weiterhin auf mich, da die Gedanken des Magistrats immer wieder um dieselbe Problemstellung kreisen.
Sprachlich und ästhetisch trifft das Buch nicht ganz meinen Geschmack. Mir ist das sprachlich zu einfach und schlicht gehalten. Insbesondere in Kombination mit den expliziten Gewaltszenen bekommt das einen unangenehm stumpfen Drive. Da sagt mir die sprachliche/ästhetische Bearbeitung in Menschenkind deutlich mehr zu.
Der große Pluspunkt des Buches: Es ist auf ganz unterschiedliche weise lesbar und interpretierbar. Es rührt an, beschäftigt und quält....more